In Gedenken an Clash Nitro & Rent A Flyer (20.07.2012)
Das Gräberfeld der Hunderennindustrie
Ein Artikel der Sunday Times
von Daniel Foggo
Veröffentlich: 16. Juli 2006
Ein anderer Tag, ein weiterer Tod: Dieser Mann schlachtet Greyhounds in industriellem Ausmaß
Mit seinem Rottweiler ähnlichen Aussehen ,führte der bärtige und Brille tragende Smith die geschmeidigen Rennhunde — einen rehbraun gestromten und einen schwarzen mit weißen Flecken — über sein Grundstück in einen Blockschuppen.
Die Tiere erschienen lebhaft und munter, als ob sie in Kürze ohne Leine laufen dürften. Aber Sekunden später drangen zwei scharfe Knalle nach draußen. Sie waren getötet worden.
Jeder, der in einem Schlachthof gearbeitet hat, wird den Ton des Bolzenschussgerätes erkennen, eine Waffe, die einen Metallstab mit einer Kraft abfeuert, die selbst den stärksten Schädel zertrümmert.
Die Hunde lagen leblos und schlaff in Smiths blutiger Schubkarre. Er warf sie in ein frisch gegrabenes Loch auf einer Seite seines 4.000 m² großen Gartens. Dann warf er mit einem Bagger das Loch mit Erde zu.
Smith betrachtete für einen Moment mit einem zufriedenen Ausdruck seinen Garten. Auf der anderen Seite seines Geländes wuchs der Salat.
Diese Episode wurde am Mittwoch von einem Fotografen der Sunday Times auf einem Film festgehalten. Dasselbe wiederholte sich am nächsten Tag. Dieses Mal kamen die Greyhounds aus einem weißen Van und einem silbernen Ford Mondeo, bevor sie im Todesschuppen von Smith verschwanden.
Diese Szene spielt sich seit vielen Jahren regelmäßig in dieser abgelegenen Ecke der Küstenstadt Seaham, in Co Durham, ab — ein Schlachtgeschäft, das heute Dank der Untersuchungen der Sunday Times das erste Mal publik gemacht wird.
Smiths hat in den letzten 15 Jahren, mit seinem inoffiziellen Schlacht- und Friedhof, in aller Stille die Greyhound- Rennindustrie bedient. Kalkulationen durch die Sunday Times legen nahe, dass in dieser Zeit mindestens 10.000 Hunde auf dem Gelände hinter seinem Haus getötet und verscharrt wurden. Vor Smith hat bereits sein Vater, nun 81 Jahre alt, einen ähnlichen Service geboten.
Einem Insider einer Rennbahn zufolge, war dieser Handel ein Geheimnis unter Trainern und Besitzern. “Wenn er nur zwei Hunde am Tag tötet, hat er einen schlechten Tag. Es ist nicht ungewöhnlich, dass er so um die 40 Hunde am Tag bekam, und wenn jemand auf die Idee käme den Garten umzugraben, wird es wie ein Schlachtfeld aussehen”, wurde uns erzählt. Er hat eine Goldgrube daraus gemacht.
“Dieser Service ist für die lizenzierten Trainer, die 50 oder 60 Hunde in ihren Zwingern haben. Die Greyhounds werden für die Nachmittagsrennen benutzt, die im Fernsehen übertragen werden. Diese Hunde haben für viele Menschen eine Menge Geld verdient und sie verdienen es nicht durch einen Schuss in den Kopf getötet zu werden. Es ist ein Skandal dessen die Industrie sich schämen muss.“
Aktivisten haben lange vermutet, dass eine solche Vorgehensweise irgendwo in Großbritannien stattfindet, konnten aber den Ort hierfür nicht ausmachen. Die RSPCA sagt, dass jedes Jahr etwa 12.000 Greyhounds verschwinden, um die sich niemand kümmert.
Greyhounds laufen nur eine kurze Zeit ihres Lebens. Wenn sie zwischen 3½ und 5 Jahre alt sind – bei einer normalen Lebenserwartung von 12 bis 14 Jahre – werden sie als zu langsam erachtet. Wenige finden den Weg als Haustier in ein neues Zuhause, entsprechend der offiziellen Politik des National Greyhound Racing Club (NGRC), der Körperschaft der Industrie. Der überwiegende Teil verschwindet einfach.
Debbie Rothery, die eine Auffangstation in West Yorkshire betreibt, sagte Tausende Greyhounds würden jedes Jahr unter den Nasen des NGRC beseitigt. “Es ist ein schäbiges Geheimnis, aber niemand möchte es wissen und es wird Zeit, dass es offenkundig wird“, sagte sie. “Die RSPCA hat mir erzählt, dass sie noch keine Zeit fand die „Greyhoundmörder“ zu verfolgen und das Parlament tut nicht, weil es zu viel Geld von der Industrie bekommt.”
Greyhound- Rennen sind ein großes Geschäft, das 3,5 Mio. Menschen jedes Jahr anzieht und Millionen weitere vor die Fernsehschirme lockt. Jedes Jahr werden 2,5 Mrd. £ auf diesen Sport gewettet und ungefähr 70 Mio. £ nimmt die Regierung an Steuern ein.
In den vergangenen Jahren hat die Greyhound- Industrie ihr öffentliches Image aufpoliert. Dabei haben Berichte über die Rennen und bekannte Besitzer, wie z.B. Freddie Flintoff, in normalen Fernsehsendungen geholfen.
Der Skandal um das Verschwinden der Hunde blieb allerdings verdeckt, und Versuche aus der Rennszene, diesen offen zu legen, wurden vereitelt.
Eine von ihnen ist Pauline Harrison, eine Greyhoundhalterin aus Barnsley, die auf Ausflüchte und Lügen stieß, als sie versuchte herauszufinden, was mit ihrem Siegerhund Stormy Silver geschah. Er war fünf Jahre alt, als sie im Jahr 2002 entschied, ihn in den Ruhestand zu schicken. Terry Dee, ein registrierter Trainer des Stadions in Kinsley, einer lizenzierten Rennstrecke nahe Pontefract, West Yorkshire, bot ihr an, für ihn ein neues Zuhause zu suchen.
“Er nahm ihn mit, aber als ich nach ein paar Wochen versuchte herauszufinden, wie es Stormy Silver in seinem neuen Zuhause erging, hielt Dee mich hin. Zum Schluss rief ich das Heim für ausgediente Hunde an. Hier wurde mir gesagt, dass sie niemals Hunde aus Kinsley erhalten hatten.
“Dann sagte Dee, dass er gelogen habe und er ihn in Wahrheit an eine Frau übergeben hätte. Es hat dann Wochen gedauert, bis ich deren Nummer bekam. Schließlich konnte ich mit der angeblichen neuen Besitzerin sprechen. Sie sagte, dass es ihm gut ginge. Aber Stormy Silver hatte einen Zeh zu wenig, und als ich sie fragte an welchem Fuß das sei, wusste sie keine Antwort. Sie sagte, dass sie zurückrufen würde, aber danach war ihre Nummer nicht mehr erreichbar.“
Die Besitzer von einigen der 52 anderen Hunde, die Dee ihre Tiere anvertraut hatten, wollten wissen, wo sie hin gegangen sind. Nachdem sie sich beschwert haben, wurde Dee vor den NGRC zitiert. Er sagte aus, dass er die Hunde an Tankstellen abgegeben hätte und sich keine Daten der neuen Besitzer notiert hätte.
Ihm wurde die Trainerlizenz daraufhin entzogen. Die früheren Besitzer blieben aber weiter im Unklaren über das Schicksal ihrer Hunde. Der Verdacht besteht, dass Dee, der vor ein paar Monaten verstorben ist, diese zu Smith gebracht hat. Der Angehörige der Industrie sagte: “Jeder weiß, dass die Hunde dorthin gegangen sind. Die Untersuchungsergebnisse wurden unter den Tisch gekehrt; sobald Dee seine Trainerlizenz verloren hatte, haben alle ihre Hände in Unschuld gewaschen.”
Als sie von der Sunday Times letzte Woche über das Schicksal ihrer Hunde informiert wurde, sagte Harrison: “Es ist schrecklich, aber ich hatte bereits den Verdacht, dass so etwas passiert sein musste.“
Die Sunday Times begann ihre Untersuchung, nachdem sie einen Tipp von einem Renn-Insider erhielt, der meinte, dass es an der Zeit sei, diese Praxis offen zu legen und zu beenden. Ein Reporter, der sich als Greyhoundhalter ausgab, welcher seine Hunde loswerden wolle, rief Smith an. Seine Frau Maureen meldete sich und fragte nach seinen Wünschen.
“Es geht um ein paar Hunde”, sagte der Reporter und bot an zurückzurufen. Sie unterbrach ihn und sagte in nüchternem Ton: “Sie wollen ein paar Hunde loswerden, richtig? Kommen Sie um 9:30 Uhr zum Gartentor.“ Jeden Morgen? “Jeden Morgen, bis auf Sonntags”, sagte sie.
Letzte Woche kam der Reporter gerade zu Smiths Geschäft, als zwei andere Hundehalter, ein Mann in Jeans und einer Baseball Kappe und eine Frau in einer Steppweste, zusammen das Gelände in einem puderblauen Van verließen.
Das Stück Land, wo die abgeschlachteten Greyhounds vergraben wurden, befindet sich auf einem abgelegenen Plateau direkt hinter dem großen Backstein-Bungalow von Smith. In der Nähe ist ein Bach in den die Überreste der zersetzten Hunde hineinsickern, auch wenn er letzte Woche ausgetrocknet war.
Als Smith aus dem Schuppen kam, wo er gerade das Leben zweier Hunden beendet hatte, erzählte der Reporter ihm, dass er acht Greyhounds hätte, die er loswerden wolle. Smith, der zu keinem Zeitpunkt fragte, warum die Hunde getötet werden sollten, erklärte, dies sei kein Problem, aber er müsse sich beeilen, da er zurück zu seiner Arbeit als Baustoffhändler müsse.
Er beklagte die Tatsache, dass viele seiner Kunden die Kosten von £10 für seinen Tötungsservice scheuen. „Wenn sie bedenken, dass sie dafür 60 oder 70 beim Tierarzt bezahlen, was mach ich da? Ich bin ehrlich mit Ihnen, ich habe daran gedacht, den Betrag zu erhöhen“, sagte er.
“Wenn sich jemand um 10 streitet, erhöhe ich auf £15. Streiten Sie mit uns nicht über einen Rabatt – 10 ist doch so gut wie nichts.“
“Ich biete einen Service, weil der Stadtrat und jeder, der hierher kommt, die RSPCA . . . uns bittet nicht aufzuhören, denn wenn ich aufhörte, würden überall in den Straßen Hunde herumlaufen. Die Menschen wollen keine 50, 60 oder 70 Tacken beim Tierarzt bezahlen, sie wollen sie nur einfach loswerden.“
Er beschwerte sich weiter und sagte, dass er das endlose Töten als “einen Ärger” betrachten würde.
“Ich mache es seit vielen Jahren, und mein Vater hat es vor mir gemacht, und es stört mich nicht wirklich. Wenn ich morgen aufhören muss, höre ich auf. Es ist ein Streit. Aber um was? Warum soll ich aufhören?” Als der Reporter darauf hindeutet, dass es keinen Platz mehr für das Verscharren der Hunde geben könnte, zeigte Smith auf die entfernte Ecke und sagte: ”Es braucht noch drei Jahre bis ich da drüben angelangt bin, wenn ich dort angekommen bin, kann ich hier von neuem beginnen. Es sind bis dahin nur ein paar Knochen übrig geblieben, und die bereiten uns keine Sorgen.“
Die RSPCA bestreitet Aufzeichnungen von Treffen mit Smith zu haben. Ein Sprecher sagte, dass solches Töten unberechtigt und unnötig, obwohl nicht unbedingt illegal, sei.
Seit 1997 darf jeder ohne Lizenz ein Bolzenschussgerät zum Töten von Tieren besitzen, kann aber belangt werden, wenn die Tiere unmenschlich getötet werden.
Die RSPCA hat letztes Jahr 1.045 Hunde ohne medizinische Gründe töten lassen, besteht aber darauf, dass es nur die allerletzte Option gewesen sei, nachdem alle anderen Möglichkeiten untersucht worden waren. “Dies ist das traurige Bild der Greyhound- Rennindustrie, die ihre Handlungsweisen verbessern sollte”, sagte Steve Cheetham, der Sprecher der RSPCA Tierärzte.
“Es ist unumgänglich, dass die Industrie am Ende zugibt, dass es ein Problem gibt und mit Tierschutzorganisationen zusammenarbeitet, um ganz schnell einen Ausweg zu finden.“
Alistair McLean, Geschäftsführer des NGRC, sagte, dass die Industrie bei der “Verrentung” von 3.000 der 10.000 Hunde, die von den 30 registrierten Rennstrecken ausgemustert wurden, geholfen habe. Aber obwohl sie ihre Trainer um klare Aussagen zum weiteren Schicksal der ausgemusterten Hunde befragen würden, ist eine exakte Kontrolle schwierig.
“Unsere Politik ist klar. Wir wollen, dass alle Greyhounds ein passendes neues Zuhause finden. Greyhounds sind großartige Haustiere. Es ist absolut gegen unsere Regeln so etwas zu tun“, sagte McLean.
Clarissa Baldwin, Geschäftsführerin des Dogs Trust, sagte: “Einer unserer größten Kämpfe mit der Industrie ist, dass sie keinen Schimmer davon haben, was mit ihrem ‘Sport’ los ist.”
Damit konfrontiert, dementierte Smith jegliches Wissen über die Tötung von Hunden. Später aber sagte er, er hätte es nur getan, um „der Allgemeinheit einen Gefallen zu tun”. Die Einnahmen daraus hätte er an eine wohltätige Organisation gegeben. Er behauptete, dass die meisten Hunde krank oder verletzt gewesen wären. Er verweigerte eine Schätzung über die Zahl der von ihm getöteten Hunde und sagte, er habe seit einigen Wochen keinen mehr getötet. “Aber ich werde nun damit aufhören”, beharrte er.
Viele Greyhounds verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in beengten Verhältnissen und werden manchmal gezwungen, mehrmals in der Woche zu rennen.
Es gab anhaltende Behauptungen, dass einige durch Dopingmittel langsamer gemacht werden, damit die Buchmacher bei den nächsten Rennen bessere Gewinnchancen hätten.
Ein Industrieinsider sagte: “Es gibt viele Wege das zu bewerkstelligen – Überfütterung vor einem Rennen oder die Verabreichung von Betablockern. Um sie schneller zu machen, wird Kokain verabreicht, das in Sekunden wirkt.“ Kritiker behaupten, dass die Trainer Drogentests umgehen könnten.
Dreiviertel der Greyhound, die in Großbritannien rennen, kommen aus Irland, wo die Zucht und der Export ein großes Geschäft darstellt.
Nach 16 Monaten sind sie für den Wettkampf bereit. Die kleine Elite, die schnell genug für die offenen Rennen ist, gewinnt hohe Preisgelder, Ruhm und wird eventuell für die Zucht verwendet. Aber die meisten sind nur für untergeordnete Rennen geeignet. Das sind die häufigsten der 71.000 Rennen, die jedes Jahr in Großbritannien veranstaltet werden.
“Die Hunde in den Nachmittagsrennen sind nur dazu gemacht zu laufen, laufen, laufen“, sagte der Insider. “Wenn sie dann erlahmen, zu alt sind und ein wenig an Geschwindigkeit verlieren, werden sie abgestoßen.”
Die Regierung hat letztes Jahr eine Arbeitsgruppe zum Thema Wohlergehen der Greyhounds eingesetzt. Darin sind die verschiedenen Körperschaften des Sports, sowie Gruppen wie die RSPCA und der Dogs Trust vertreten. Die Arbeitsgruppe soll Ratschläge zum Tierschutzgesetz ausarbeiten, welches später in diesem Jahr oder Anfang 2007 verabschiedet werden soll.
Trotz vieler parlamentarischer Debatten wird das Gesetzt keine besonderen Regelungen für die Greyhounds treffen und man sagte der Gruppe, dass sie erst in einem weiteren Gesetzgebungsprozess berührt würden.
In einem Entwurf des Defra, dem Umweltschutzministerium, ist zu lesen, “dort, wo die Tötung unvermeidlich ist, müssen Greyhounds mithilfe einer passenden Substanz durch eine intravenöse Injektion unter der Aufsicht eines Tierarztes eingeschläfert werden”.
Maureen Purvis, von Greyhounds UK, einer Tierschutzgruppe, die dem, durch das Parlament, eingesetzten Komitee Unterlagen zu dem neuen Gesetz gegeben hat, sagte: “Wir möchten die Rennbahnen unter die Gerichtsbarkeit und Inspektion der lokalen Verwaltungen stellen lassen. Die Industrie hat 80 Jahre Zeit gehabt sich selbst zu regulieren und es klappt offensichtlich nicht.”
Quelle: greytexploitations.com
Übersetzung: Hey W.